Wir laden herzlich ein:
Die „Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien“ stellt sich mit der 5-teiligen Ausstellungsreihe „enjoy photography“ in ihren neuen Räumlichkeiten vor: Neubaugasse 64-66, Stiege1, Top 5a, 1070 Wien.
Die Auseinandersetzung mit Kunst und Photographie aus den unterschiedlichsten Perspektiven stellt das Kernstück der Schule dar. Das Konzept der Schule konfrontiert die Studierenden in jedem Schuljahr mit verschiedenen KünstlerInnen und TheoretikerInnen, um diverse Zugänge zum Medium der Photographie zu eröffnen.
Für diese Ausstellungsreihe wurden einige KünstlerInnen, die an der Schule unterrichtet haben und AbsolventInnen zu Doppelausstellungen eingeladen, um in einen Dialog zu treten.
Konzeption: Anja Manfredi
1.
MARIA HAHNENKAMP, MARTINA STAPF
Eröffnung: Dienstag, dem 23.4.2013 von 18 bis 21 Uhr
2.
ROBERTA LIMA, ANTONIA WAGNER-STRAUSS
Eröffnung: Dienstag, dem 7.5.2013 von 18 bis 21 Uhr
3.
MICHAEL MAURACHER, STEPHANIE STERN
Eröffnung: Dienstag, dem 21.5.2013 von 18 bis 21 Uhr
4.
RAFFAELA BIELESCH, MICHAEL PART
Eröffnung: Dienstag, dem 4.6.2013 von 18 bis 21 Uhr
5.
G.R.A.M., CLAUDIA CORNELIA TRINK
Eröffnung: Dienstag, dem 18.6.2013 von 18 bis 21 Uhr
G.R.A.M. und Claudia Cornelia Trink
Wer mit Bildern arbeitet, kann nicht anders, als sich für Bilder zu interessieren, für Bilder anderer KünstlerInnen, für historische Abbildungen, für aktuelle Medienbilder. Neben der Überlegung, ob ein Bild gefällt, ist eine weitere zentrale Frage oft die nach der eigenen Positionierung diesen Bildern gegenüber.
An diesem Punkt treffen sich die Interessen jener KünstlerInnen, die diese Woche zu ENJOY PHOTOGRAPHY eingeladen sind.
Das Künstlerduo G.R.A.M. – ihre Reenactments nach Fotografien sind seit den 1990er Jahren bekannt – und Claudia Cornelia Trink – sie hat 2012 die Schule für künstlerische Photographie, Wien und 2013 die Schule für unabhängigen Film, Wien abgeschlossen. Beide inszenieren mögliche Reaktionen auf Bilder, etwa Identifikation und Vergleich: In welchem Verhältnis steht eine durchschnittliche Betrachterin, deren Körper nicht begnadet ist und bereits Spuren der Zeit trägt, zu den makellosen, jugendlichen Modellen auf Fotografien von Herb Ritts oder Helmut Newton? Claudia Cornelia Trink hat das Alter eingeschleust: In einer heimlichen Aktion hat sie in dem vom Fotomuseum Winterthur herausgegebene Buch „Darkside 1 – Fotografische Begierde und fotografierte Sexualität“ die durchwegs attraktiven und jungen Menschen, wie sie für die namhaftesten Fotografen des 20. Jahrhunderts posierten, mit den Porträts einer alternden Frau überklebt, und das Ideal mit seiner Realität konfrontiert. Buch und Film tragen die Reaktion auf zwei Ebenen aus: Vandalenakt und Interpretation.
In der 3x4m großen Wandtapete, die G.R.A.M. nach einem durch die Presse gereichten Foto von Präsident Obama reinszeniert haben, hat die Transformation außerhalb des Bildes stattgefunden. Die Ungereimtheit zwischen Bild (vier männliche Protagonisten) und Titel - Barack Obama mit seiner Frau Michelle und seinen beiden Töchtern Sasha… legt jedoch schnell die richtige Fährte: ´“I AM ONE OF YOU“ teilt der Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur der muslimischen Welt mit, sondern auch dem Durchschnittsamerikaner, indem er nicht anders als dieser mit seiner Familie vor dem Fernsehapparat isst und neben dem repräsentativen Präsidentenporträt also auch den banalen Alltag im Foto zulässt: „Ein großer linker Zeh unter dem Tisch verrät, dass es sich auch der US-Präsident barfuß bequem gemacht hat“, erfährt man aus dem Titel weiter. Aber nicht nur die Parodie, sondern auch die Similaritäts-Intertextualität (vergl. Renate Lachmann), d.h. die atmosphärische und faktische Nähe zum Vorbild, die so weit reicht, dass die Bilder einander punktuell „berühren“, zeichnet die Reenactments von G.R.A.M. seit jeher aus.
Ruth Horak
Raffaela Bielesch und Michael Part
Mit der trügerischen Annahme, die Fotografie wäre primär ein Medium zur Abbildung der Welt, wie sie in Erscheinung tritt, haben die künstlerischen Arbeiten Raffaela Bielesch’ und Michael Parts wenig am Hut. Das Abbild im konventionellen Sinn sucht man mitunter
vergeblich in ihren Werkserien. Vielmehr eröffnet sich den BetrachterInnen ein Mikrokosmos der unkonventionellen Möglichkeiten der Bildwerdung. Bielesch und Part ist die Lust am Experiment mit den Materialien und Techniken der Fotografie gemein. Ihre Arbeiten vereinen essentielle Elemente der analogen Fotografie wie lichtempfindliches Material, chemische Substanzen und Belichtung. Ziel ist jedoch nicht ein möglichst realitätstreues Abbild, sondern vielmehr der Prozess der Bildwerdung an sich, dessen materielle Endstufe als Dokument von diesem Prozess zeugt.
Raffaela Bielesch’ Zugang zur Fotografie und seinen Materialien ist ein performativer. Als Akteurin beschäftigt sie sich mit der Frage, wie der menschliche Körper und hier vor allem auch der Körper als geschlechtlich bzw. gesellschaftlich konnotierter zum Bild wird. Die Fotografie mit allen ihren technischen und materiellen Möglichkeiten dient ihr als Ausgangspunkt und Dokumentationsmittel zugleich. Das Fotopapier wird zu ihrem Begleiter in allen Lebenslagen – ihr Körper schreibt sich dem lichtempfindlichen Papier als Spur des Alltags und des Individuellen ein. Der Rückbezug, die lustvolle Wiederholung und das Schwelgen tauchen in ihren Arbeiten häufig auf, sowohl als Bezug auf das eigene Schaffen als auch auf jenes anderer Künstlerinnen, wie etwa Martha Rosler.
Michael Part ist eine Art Molekularkoch der Fotografie. Er nimmt nicht den leichten Weg der Digitalfotografie, sondern geht in die Urzeiten und Urformen der Fotografie zurück, um deren Methoden in die Gegenwart zu übertragen und Bilder zu erzeugen, die eine Tiefe und Vielschichtigkeit ermöglichen, die das von Pixel übersättigte zeitgenössische Auge zum Staunen verführen. Parts jüngste Arbeiten bauen auf den chemischen Substanzen 1,4-Dimethoxy Benzen und Chrysoidin auf. Während die künstlerische Auseinandersetzung Parts mit letzterer Substanz in der Diaprojektion eines Farbverlaufs von orange nach transparent mündet, kreiert das Benzen ausschließlich Bilder vor dem inneren Auge. Part mischt hierzu ein Parfum, das auch als Fotoentwicklersubstanz fungieren könnte, in seiner intrinsischen Funktion aber an den Duft von Orchideen erinnert.
Für die gemeinsame Ausstellung treten Bielesch und Part als Wahlverwandtschaft in einen Dialog miteinander und mit den BetrachterInnen, die sich ein Stück weit von der Neugierde und dem Staunen der KünstlerInnen anstecken lassen können.
Astrid Peterle
Michael Mauracher und Stefanie Stern
Die beiden verbindet auf den ersten Blick eigentlich sehr wenig.
Michael Mauracher forscht ganz dem Porträt, also dem Abbilden von Personen, nach, während sich Stefanie Stern vielmehr Dingen, und zwar sehr einfachen Dingen widmet. Während Mauracher sich im großen Kosmos des menschlichen Gesichts aufhält, überlässt sich Stern den
kleinen Verwandlungen in der Wahrnehmung von Alltagsgegenständen.
Was sie wahrscheinlich doch verbindet, ist, dass sie sich nicht nur im landläufigen Sinne Zeit für ihre Arbeiten nehmen, sondern mittels des fotografischen „Aktes“ Zeit buchstäblich fühlbar machen: als Fortbewegung oder als In-sich-Kreisen, die ineinander verschränkt sowohl
lebenssteigernd als auch lebenslähmend wirken können.
Bei Mauracher fasziniert das Gegenüber, dessen Identität wie ein offenes Geheimnis erscheint. Die Signifikanz des Individuums als Bild, das
er beobachten möchte, ohne es zu kennen. Die Varianten der Haltung, die Konstellationen von Mund, Nase, Augen und Ohren, die erstarrte Landschaft der Physiognomie: Muskeln, Knochen, Knorpel, Haut und Haare wie Gebirge und Täler oder Wälder oder Wiesen, Blumen, Höhlen, Sand und Wasser, Wind und Wetter. Ob es sich um ein Pressefoto handelt, das gleichsam auf Lebenslänge angelegte „Porträt eines Mannes“, um das Verfolgen eines anderen Mannes in New York, der sich meist vom Rücken zeigt, aber dann doch in einem gewissen Moment zumindest im verlorenen Profil, um das Usurpieren des inszenierten Fotostudios aus dem 19. Jahrhundert im Bad Ischler Museum, oder um Ernst Haas auf dem Tisch mit den Reliquien seiner Vergangenheit, oder letztendlich um Stühle als eine Art von Familienporträt. Mauracher erweist sich immer höchst verwundert über das, was er sieht, und dass „das Bild etwas auslöst“, das nicht trivial ist.
Stern interveniert unter Umständen stärker. Sie fasst Manches handfester an, formt und konstruiert bestimmte Motive ihrer Aufnahmen bewusst und sogar streng. Zum Beispiel eine alte Matratze, deren Würfelschnittrelief sie aufbiegt, damit die Vergilbung des Schaumstoffs hervortritt und ein Stück, das sie herausgebrochen hat, zum irritierend weißen Fleck wird. Sie kann sich aber auch den grotesken Figurationen von Plastikfetzen in einem Baum hingeben oder dem System dreier ineinander hängender Messingrahmen, das sie als „Gespräch“ imaginiert. Eine fragmentarische Serie mit von einer neuen Hose blau gefärbtem Waschmaschinenwasser – es verbreitet sich in einem Becken oder wird ordentlich abgefüllt in einer Flasche oder einem Kanister wiedergegeben – hat noch keinen Titel. In einer anderen Serie, einer Art Leporello, wechseln sich selbst gezeichnete Himmelskarten mit Fotos eines unlesbaren Terrains ab. Stern beschäftigt sich sozusagen mit dem rhythmischen Zusammenspiel von Ausnahme und Regel.
Maren Gröning
Roberta Lima and Antonia Wagner-Strauss
Folds and traces, subdued delicate colors, fragile dresses, tender skin and sensitive photographic material in apparent opposition to strong bodies and raw or aggressive gestures oscillating between acts of exposure and the search for refuge are themes that recur in the bodies of work by Roberta Lima and Antonia Wagner-Strauss.
Central to the work of both artists is its performative nature, a repeated staging of identities in front of the camera and before an existing or imagined audience: We encounter Tony Ross, one of Antonia Wagner-Strauss’ alter ego, in her reinterpretations of largely masculine hip-hop songs or Roberta as an artist worker dashing a block of concrete to the ground, a stark contrast to the by now almost trademark images of Roberta Lima as assumedly vulnerable, almost child-like, adorned with stereotypical attributes of so-called femininity.
The camera exists not only as a witness to the ‘live’ or ‘studio’ performance, but is actively engaged as a co-worker surveilling while itself being an integrative part of the resulting intertwining layers of images. In Roberta Lima’s intricately orchestrated performances, media is just as equally featured as the performer, simultaneously broadcasting images during the performance, yet continuing to remain as constitutive elements in installations after the ‘live’ act. Antonia Wagner-Strauss expresses her affinity for the photographic medium directly comparing its sensitivity to the fragility of the skin. The body and the analog or digital photographs both function as projection surfaces, as genuine collaborators in staking out a playing field for various and instable concepts of identity, body, and gender.
A presentation of selected works by Roberta Lima and Antonia Wagner-Strauss in dialogue as well as potential collaboration is sure to see both artists setting a mark on territory beyond that of the media of photography, film, and the physical body into the realms of a social body as an intervention in space spinning a web of connections between their individual current, past and future artistic work.
Melissa Lumbroso
Maria Hahnenkamp und Martina Stapf
In den Arbeiten beider Künstlerinnen wird der fotografische Bildraum als Identifikationsoberfläche eines Körpers verhandelt und als Apparat von Regeln auf der Bühne seiner Rezeption mitproduziert. Hierbei erscheinen nicht nur die abgebildeten Körper als Inszenierungen, sondern das fotografischen Medium für sich, dessen konventionelle Lesarten hier einem kritischen Reflektionsprozess ausgesetzt werden.
Maria Hahnenkamps Körperinszenierungen führen vor Augen, dass unsere Erkenntnis- und Repräsentationsformen unabdingbar mit Praktiken des Blicks und den damit einhergehenden Subjektkonstitutionen zusammenfallen. Der kunstvoll mit Stickereien bearbeitete Bildkörper der Fotografie steht hier dem immateriellen Frauenbild als Abbildung gegenüber, denn Hahnenkamps Interventionen lassen sich auch aus einer tiefgreifenden Dichotomie zwischen Bild und Sprache begreifen: Die auf der Textur des Kleides abgebildeten Ornamente, deren Vorlagen aus klösterlichen Musterbüchern stammen, erscheinen als repräsentierende Zeichen einer dominanten Bildlichkeit, – als Sprache, die über den Körper herrscht, – und als Schrift, welche sich stimmig an die Ornamentik einer körperproduzierenden Bildkomposition anpasst. Flach auf einer Glasplatte aufliegend, wird der Frauenkörper durch die dominante Textur eines mit Stickereien versehenen roten Kleides fragmentarisch sichtbar. Die abgeflachten Partien der Texturen zeugen von der Herrschaft der Fotografie über den Diskurs des weiblichen Körpers. Dies wird im gegenübergestellten Videoloop noch weiter verstärkt: Gefangen im Bild erscheint die Frau als anonymisierte Zeichenträgerin, deren sichtbare Oberflächen sich je nach Drehbewegung performativ verändern.
In Martina Stapfs Fotografien und Videobildern erscheinen Körper als leere, unbeschriebene Oberflächen. Auch hier waltet die Sprache als Vehikel zwischen der Textualität des Körpers und seiner möglichen Repräsentation im Bild. Ihre Stempelabdrücke sind Einschreibungen, welche auf die Künstlerin selbst, sowie auch auf das imaginäre Casting einer Selbstinszenierung im Bild verweisen.
Auf Fliesenboden gestempelt, wird der Eigenname „Martina Stapf“ in ihrer Videoarbeit durch die Geste des „Stapfens“ mit ihren Fußabdrücken ironisierend verwischt. Entgegen einer Spurensicherung im Bild tritt hier die eigene physische Signatur in Konkurrenz mit ihrer namentlichen Benennung. In ihrer Diaprojektion geht die Künstlerin wiederum in umgekehrter Weise vor, indem sie einzeln abgebildete Körperteile durch historische Ornamentzitate vereinnahmt zur Darstellung bringt. Gemeinsam ist diesen Arbeiten die Einschreibung von Schrift- und Bildzeichen am Material produktiver Körperdiskurse, in deren Engführung die wuchernden Texturen gänzlich mit dem Bild als Bildkörper zu verschmelzen drohen.
Käthe Hager von Strobele
mit freundlicher Unterstützung:
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Kulturabteilung der Stadt Wien
G.R.A.M.
Claudia Cornelia Trink
MICHAEL PART
RAFFAELA BIELESCH
MICHAEL MAURACHER: Selbstporträt mit einer Unbekannten
STEFANIE STERN: dekonstruiertes Gespräch, 2012
ROBERTA LIMA: Three Stages of Consciousness, 2012
ANTONIA WAGNER-STRAUSS: „Refugium“, 2012
MARIA HAHNENKAMP : O.T. (aus der Serie Kleid), 2010
MARTINA STAPF: aus der Serie MARTINASTAPF, 2012