SCHULE FRIEDL KUBELKA Filmschule

ALLES GEGEN DIE ANPASSUNG!
ALLES GEGEN DIE REGELN!

Friedl Kubelka / vom Gröller im Gespräch mit Philipp Fleischmann über die Gründung der Filmschule, die Lehre des Unabhängigen und das Medium des Analogen Films.

Kurzversion

Philipp Fleischmann: Wir befinden uns hier in einem kleinen Atelier im 5. Wiener Gemeindebezirk, dem „Atelier Gartengasse“. 1990 haben Sie hier die „Schule für künstlerische Photographie, Wien“ gegründet, 2006 die „Schule für unabhängigen Film, Wien“. Was war für Sie die Notwendigkeit, eine weitere Schule zu gründen?

Friedl vom Gröller: Sie kennen bestimmt den Satz von mir: Ich wollte eine Photoschule gründen, in die ich selbst gerne gegangen wäre. Ich bin ja auf die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt gegangen und habe schlechte Erinnerungen an die Ausbildung, weil da lauter brave Berufsphotographen herauskommen sollten, die nur das machen, was die Gesellschaft will. Und ja nichts anderes. So wollte ich es anderen Leuten, wie auch mir selbst, ermöglichen, meine Künstlerkollegen zu sehen, über ihre Arbeiten zu hören und von ihnen zu lernen. Das gleiche gilt jetzt auch für die Filmschule. Durch meine Filmarbeit habe ich gemerkt, wie viele bekannte Filmemacher hier in Wien leben und welch hohen Stellenwert sie beispielsweise in Amerika genießen; welche guten Fördermöglichkeiten es hier in Österreich für den unabhängigen Film im Vergleich zu anderen Ländern gibt. Obwohl ich persönlich davon fast nichts nutznieße. Und dass Wien nach wie vor ein professionelles Entwicklungslabor für Film besitzt. Ich habe gefunden, Wien ist prädestiniert für eine solche Schule.

Philipp Fleischmann: War ein weiterer Grund, ähnlich wie bei der Photoschule, dass es eine Ausbildungsmöglichkeit zum analogen Film hier in Wien in dieser Form nicht gab?

Friedl vom Gröller: Ja, auf alle Fälle! Ich selbst wollte unbedingt in so eine Schule gehen. Ich hätte beispielsweise nie auf die Filmakademie gehen wollen. Nachdem es mit der Photoschule so gut funktioniert hat, hab‘ ich mir gedacht: so eine Institution für Film muss es geben, gerade in Wien! Weil diese Punkte, die ich aufgezählt hab‘, in anderen Städten und Ländern nicht in dieser Dichte und Konzentration vorhanden sind. Die Filmschule sollte ähnlich wie die Photoschule sein. Wohl mit dem großen Unterschied, dass man mit der Photographie doch leichter Geld verdienen kann, als mit dem Avantgarde- oder unabhängigen Film. Da sind mir auch all die Begegnungen mit den Avantgarde-Filmemachern eingefallen.

Philipp Fleischmann: Bei Ihren Reisen in die USA in den 70er Jahren?

Friedl vom Gröller: Ja. Die 60er Jahre waren noch nicht lang vorbei. Doch das Hoch, das der unabhängige Film in Amerika erlebt hat, eigentlich schon. Die Filmemacher haben jedoch so heldenhaft weitergearbeitet. Sie waren so stolz und selbstbewusst, obwohl sie fast alle in großer Armut gelebt haben. Ihre Filmkunst war ja wirklich – man kann sich‘s eigentlich jetzt kaum mehr vorstellen – beispielgebend für die anderen Kunst-Disziplinen. Für‘s Theater auf alle Fälle – da kann man es sich noch eher vorstellen, aber auch für Dichter, Maler und Musiker. Die ganze Kunstclique schaute, was die Filmemacher tun... Sicherlich hat auch Andy Warhol mit seinen Filmen und mit Factory eine große Rolle gespielt. Die Filmemacher waren so exzentrisch und sind für mich für das Künstlerbild an sich gestanden. Und sie haben alle meine Vorstellungen bei Weitem übertroffen! Was ich dort für G‘schichten gehört hab‘... Ich sah zwar viele ihrer Filme, habe sie aber nicht verstanden. Es gab private Screenings bei Stan Brakhage und bei James Broughton beispielsweise. Es herrschte immer eine Hochspannung, wenn Filme den Kollegen gezeigt wurden. Das habe ich mir gut gemerkt. Wissen Sie, es interessiert sich nur ein gewisser Prozentsatz für den Avantgardefilm. Heute noch weniger als damals. Es ist vielleicht ähnlich wie bei der Dichtung. Nachdem die Kinder heute in der Schule keine Gedichte mehr auswendig lernen, gibt’s noch weniger Leut‘ die sich für Poesie interessieren. Es gefällt mir sehr gut, dass man dieses Verständnis von Film unterrichtet. Ich fand‘s notwendig, nicht nur für mich, sondern auch für die anderen!

Philipp Fleischmann: Ich würde gerne über die Namensgebung der Schule sprechen. Ich fand es immer interessant, dass Sie die Schule „Schule für unabhängigen Film“ genannt haben. Es wäre ja genauso möglich gewesen: „Schule für künstlerischen Film“, „Schule für experimentellen Film“ oder „Schule für avantgardistischen Film“. Warum beim Film der Fokus auf das Unabhängige?

Friedl vom Gröller: Es gibt ja Kritiken an all diesen Begriffen. Am „unabhängigen Film“ hat es am wenigsten Kritik gegeben. Und zwar von den Filmemachern selbst. Jeder sieht sich ja anders. Peter Tscherkassky sagt beispielsweise ganz explizit, dass er nicht experimentellen Film macht. Das würde heißen, er weiß nicht was er tut, er experimentiert nur. Jonas Mekas hat vom „Underground Film“ gesprochen. Das war hauptsächlich jener Film, der Themen behandelt hat, die es sonst im amerikanischen Film zu jener Zeit nicht gab. Also Sex, Drogen, Homosexualität und alles mögliche. Das war „Underground“. Und dann „Avantgarde“. Ein Begriff, der von mir eigentlich nicht negativ gesehen wird. Es ist ein militärischer Ausdruck. Die erste Garde, die vorne angreift. Es hängt auch mit einer Art des Modernismus zusammen die die früheren Artikulationen in den Künsten missachtet. Besonders nach den zwei Weltkriegen hieß es „All das wollen wir nicht mehr, es muss eine neue Kunstform her.“ Das ist Avantgarde.

Philipp Fleischmann: Für mich ist dies ja eher ein historischer Begriff. Ich stelle mir öfters die Frage wie man behaupten kann, das eigene Tun sei avantgardistisch?

Friedl vom Gröller: ...das glaubt‘ man halt...

(beide lachen)

Philipp Fleischmann: Sie haben sich also entschieden, den Begriff des Unabhängigen zu verwenden. Wenn eine Einrichtung einen Unterricht für unabhängigen Film anbietet - von wem oder was unabhängig?

Friedl vom Gröller: Maya Deren hat einmal gesagt: wenn man eh kein Geld hat, um eine Location zu bezahlen, und keins für Schauspieler, für Kameraassistenten und den Kameramann, dann kann man doch gleich machen, was man wirklich will. Das heißt, es soll hier an der Schule das gemacht werden, was ein Dichter mit der Sprache macht. Obwohl das filmische Medium im Gegensatz zum Blatt Papier teuer ist.

Philipp Fleischmann: Warum denkt man beim Film immer sofort an diesen großen Stab? Man bräuchte diese oder jene Kamera, dieses spezielle Equipment, ein Treatment, ein großes Team, etc. Obwohl wir über den unabhängigen Film als eigenständige Kunstform sprechen, kommt oft der Vergleich zur großen, industriellen Form des Films. Wieso?

Friedl vom Gröller: Ich glaub‘ weil‘s ein so junges Medium ist. Es hat lange Zeit nur diese Form gegeben, selbst die Brüder Lumière haben einen Mitarbeiterstab gehabt, nicht!?

Philipp Fleischmann: Das war auch industriell aufgestellt, ja.

Friedl vom Gröller: Seit der Erfindung ist der Film also industriell. Und mit dem Aufkommen des Hollywood - Systems haben dann alle geglaubt, das ist Film. Ich hab‘s ja selbst geglaubt bis ich 27 war und den Peter Kubelka kennengelernt hab‘. Ich dachte Spielfilme sind „Film“. Natürlich gab es welche, die eine interessantere, andere Form gehabt haben, wie die Filme Agnès Vardas oder Godards beispielsweise. Es ist für viele nach wie vor unvorstellbar, dass man wirklich selber einen Film machen kann. Einen Film, der wirklich persönlich und so gestaltet ist, wie man möchte.

Philipp Fleischmann: Wie haben Sie versucht, das Unabhängige zu lehren?

Friedl vom Gröller: Eigentlich weniger durchs Reden, sondern durch die Beispiele, die ich gezeigt habe. Und durch die Einzelgespräche. In den Dialogen mit den Studierenden bin ich oft auf ein Thema gestoßen, das sie beschäftigt. - Ihr „unbedingtes Interesse“. So dass ich gesagt habe: Das wär doch ein Thema für Sie zum Filmen! Und wenn man dem folgt, dann kommen - weil man so emotional ist - automatisch eigenständige Formen heraus. Durch die Besuche des Zyklischen Programms im Österreichischen Filmmuseum wollte ich zeigen, was man sich alles trauen kann! Denken Sie an die Filme von Michael Snow, Ken Jacobs oder Kenneth Anger. Man kann sich soviel trauen und muss keineswegs den Zuschauer bedienen. Und die Leidenschaft wird bei den eigenen Filmen schon durchkommen.

Philipp Fleischmann: Besonders an Ihrem Schulkonzept finde ich, dass so viele unterschiedliche Künstler_innen im Laufe eines Schuljahres unterrichten. Es sprechen viele verschiedene, sich teils widersprechende, Stimmen zu einem.

Friedl vom Gröller: Es war immer meine Absicht, dass die Künstler an die Schule kommen und von den Studenten befragt werden können. Und wenn sie keine Antwort geben, dass sie beobachtet werden können. Und dass man von Ihnen lernt, wie man das Filmemachen, auch wenn es kein Geld bringt, in sein Leben integriert. Das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Unterrichts.

Philipp Fleischmann: War dies immer von großem Interesse für die Studierenden?

Friedl vom Gröller: Es hat mich einfach auch immer selbst interessiert! Schon in der Photoschule habe ich viele Künstler danach gefragt. Fast niemand konnte von der Photokunst leben... nicht einmal Wolfgang Tillmanns. Damals hat er noch Modephotos gemacht, für die Hamburger Zeitschrift beispielsweise. Niemand konnte von der Kunst leben, und es ist ganz wichtig zu sehen: Wie machen das andere Künstler? Wie überlebt man? Was kann man machen, damit man nicht aufhört mit der Kunst? Deswegen habe ich die vielen Künstler an die Schule eingeladen. Sodass man ihr Charisma, ihre Exzentrik hautnah erleben könnte. Das alles finde ich einen ganz wichtigen Unterricht. Eigentlich müsste das ein eigenes Unterrichtsfach sein. (lacht) Den Titel dazu müsste man noch finden. Man müsste es Künstlerbeobachtung nennen, oder.... Künstlerbefragung.

Philipp Fleischmann: Unterrichtsfach „Beobachtungsstudie Künslter“. (lacht)

Friedl vom Gröller: … Ja, so ungefähr. (lacht)

Philipp Fleischmann: Nochmals zurück zum Unterricht. Ist nicht auch das Material, der analoge Film selbst, ein zentraler Lehrer?

Friedl vom Gröller: Auf alle Fälle! Der Film zwingt einen zur Verdichtung, weil er eben teuer ist. Das heißt, man muss sich schon im Vorhinein viele Gedanken machen. Und man hat doch so viele Wünsche an diese 30 Meter Film, die nicht einmal knapp 3 Minuten lang sind! Ja, das Arbeiten mit analogem Film ist eine Beschränkung. Und unsere Zeit ist eigentlich keine beschränkte Zeit. Ich habe fast das Gefühl, der Film ist auch eine Art Medizin gegen den Kapitalismus und gegen dieses... „immer mehr, und immer größer“ ....

Philipp Fleischmann: Da stimme ich total zu. Trotzdem eine Nachfrage. Angenommen das Material wäre nicht so teuer, was wäre dann das Besondere am Film?

Friedl vom Gröller: Mhm...ja, eine berechtigte Frage. Es ist auch ein Lustprinzip. Es ist fürs Auge schön. Es sind halt Schablonen vor einer Lichtquelle, so wie die Wolken. Der Film hat Schwärzen. Das Schwarz! - kein digital flimmerndes Bild hat dieses tiefe Schwarz. Der Film läuft auchnicht endlos. Es gibt einen Anfang und ein Ende.

Philipp Fleischmann: Ich selbst habe beide Schulen bei Ihnen besucht, sowohl die Photo- als auch Filmklasse. Zur analogen Photographie hatten alle Studierenden, zumindest bis vor ein paar Jahren, gewisse Erfahrungen mitgebracht. Beim analogen Film war dies nicht der Fall. Es kam mir so vor, als sei der Film eine größere Hürde, um künstlerisch zu arbeiten.

Friedl vom Gröller: Ja, das stimmt. Das stimmt auch bei mir. Ich fürcht‘ mich immer wieder vor der Filmkamera und vor den vielen Sachen, die ich beachten muss. Gleichzeitig würde mir eine automatische Kamera überhaupt nichts bedeuten.

Philipp Fleischmann: Wie schlug sich die unterschiedliche Handhabbarkeit der Medien auf das Unterrichten aus?

Friedl vom Gröller: Es war für mich selber sehr verunsichernd. Ich konnte ja eigentlich gar nicht filmen! Bei der Photographie hab‘ ich mich bei der Technik doch ziemlich gut ausgekannt, vor allem mit dem Aspekt der kommerziellen Photographie, auch wie man sich vermarktet. Da hatte ich jahrzehntelange Erfahrung. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mich vor jedem Filmschuljahr gefürchtet habe, weil ich ja nicht ausgebildet war. Weder in der Filmtheorie, noch in der Filmgeschichte. Die Technik war überhaupt ganz schlecht. Aber ich habe viel gefilmt. Eigentlich gründete ich eine Schule, ohne irgendwas zu können. Nur weil ich sie haben wollte! Ich bin ein verantwortungsbewusster Mensch... ich hab‘ das nicht leichtfertig gemacht. Dann hab‘ ich aber gesehen, dass ich andere Sachen anbieten kann, die vielleicht die Leute, die all dieses Wissen haben, nicht anbieten können.

Philipp Fleischmann: Was war das?

Friedl vom Gröller: Na, einerseits diese große Leidenschaft! Durch meine Ausbildung in der Psychoanalyse konnte ich etwas Analytisches einbringen. Was ist wichtig für mein Gegenüber? Es ist fast wie ein Erspüren, eine schwebende Aufmerksamkeit meinerseits. Und diese Beobachtungen kann ich in Gesprächen einbauen und als Thema vorschlagen. Ich kann Hilfe leisten, das jeweilige Thema herauszukristallisieren. Ich vermittle, dass alles möglich ist... auch das politisch Inkorrekte. Und ich bin, anders als viele Lehrer, in keiner Weise gekränkt, wenn‘s nicht gemacht wird. Ich schlag‘s wirklich nur vor und geb‘ anschließend vollkommene Freiheit. Ich glaube, das ist etwas sehr wertvolles beim Unterrichten.

Philipp Fleischmann: Mir kam vor, dass es neben dem Unterricht zur Photographie oder zum Film ganz stark um das eigene Ich ging. Dass Ihre Schule Raum zum Erkunden bot und Sie auch forciert haben, dass jede Person individuell weiter zur möglichen eigenen Identität vorstößt. Dass es neben einer Arbeit an Projekten, auch immer eine Arbeit an sich selbst war.

Friedl vom Gröller: Wenn man am seinem „unbedingten Interesse“ arbeiten will, dann geht das irgendwie gar nicht anders. Mein Ansinnen war immer, dass wirklich Freiheit herrscht, wie der Weg der Kunst eingeschlagen wird. Schlussendlich machen das eh alle so wie sie es letztlich wollen. Aber es wird manchmal eine Art Hilfestellung benötigt, ... so ein ... Drücken ...

Philipp Fleischmann: Sie haben seit 1990 an Ihren eigenen Schulen unterrichtet. Haben Sie im Laufe der fast 25 Jahre Veränderungen bemerkt, warum Leute den Weg zu Ihren Schulen gefunden haben?

Friedl vom Gröller: Eine zeitlang hatte ich jedes Jahr das Gefühl, es sind immer andere Leute, die sich bewerben. Dass sich in der Gesellschaft etwas anderes tut. Im Laufe der Zeit hat sich allerdings auch herumgesprochen, dass wenn man diese Schule besucht hat, man leichter an der Angewandten oder der Akademie aufgenommen wird. Das hat weder mir, noch Anja Manfredi, die die Photoschule seit 2010 leitet, besonders gut gefallen. Obwohl es natürlich keine negative Reaktion ist. Doch man möchte, dass die Leute es um der Sache selbst machen, und nicht, um in einer Institution anzukommen! Irgendwie entspricht das nicht dem, was ich mit der Schule wollte. … Obwohl‘s auch geschmeichelt hat.

Philipp Fleischmann: Das ist ein interessanter Punkt. Sie haben Ihren Studierenden ja fast vehement empfohlen, folgend KEINE akademische Kunstausbildung zu absolvieren. Es ist mir immer so vorgekommen, als sei das eher eine prinzipielle Überzeugung von Ihnen, und weniger ein individueller Rat an die einzelne Person. Warum diese Skepsis an dieser Form einer Ausbildung?

Friedl vom Gröller: Ich war ja selber nie auf einer Kunstakademie und kann daher eigentlich gar nicht drüber sprechen. Obwohl ich als junger Mensch gern an die Akademie gegangen wär, um Malerei zu studieren... aber davon war keine Rede. Die Skepsis kommt zum Teil von den Studierenden selbst. Von dem Feedback, das ich von meinen ehemaligen Schülern bekommen hab, die dann dort angefangen haben zu studieren. Die meisten, die ein Jahr an der Akademie waren, waren ganz entsetzt. Mit der Zeit hat man sich zurechtgefunden, hat sich ein Netzwerk aufgebaut und dann gab es viele gute Einflüsse. Ich glaub Sie haben mir damals so etwas Ähnliches erzählt. An den künstlerischen Arbeiten ist mir aufgefallen, dass manche Sachen abhanden gekommen sind, die ich sehr gern‘ gehabt hab‘ ... etwas Unmittelbares. Das seh‘ ich aber mit der Einschränkung, dass ich alt bin, und dass die jungen Leute sozusagen heute was anderes wollen müssen.

Philipp Fleischmann: Sie haben ja gesagt, dass Sie Schulen gegründet haben, in die Sie selbst gerne gehen wollten. Sie sind ja am längsten in diese Schulen gegangen. Was haben Sie über all diese Zeit gelernt?

Friedl vom Gröller: Na.... ich hab‘ nicht so viel gelernt in der Filmschule, wie ich mir ausgerechnet hab‘. Vor allem weil ich bei den Workshops mit den Künstlern nicht mitmachen konnte, weil ich ja selbst kein Schulgeld gezahlt habe. (lacht) Das hätte ich natürlich machen können, aber... ich hab‘ doch eh so wenig verdient ... ich wollt‘ nicht noch was zahlen. (lacht) Ich hab natürlich trotzdem von den Künstlern, die an die Schule gekommen sind, gelernt. Ich denke beispielsweise an Nathaniel Dorsky oder Tony Conrad. Einfach einzelne Sachen, die sie gesagt haben, und wie sie‘s gesagt haben. Das, was ich mir für die Studenten gewünscht habe, hat auch auf mich sehr stark gewirkt. Und - sehr viel habe ich von den Studenten gelernt. Von Ihren Arbeiten und dem Austausch mit einer jüngeren Generation. Die Studenten haben ganz andere Sachen gesehen und das ist irrsinnig wertvoll für mich gewesen. Ich hatte auch eine Krise heuer, mit einem Jahr Verspätung, dass ich diesen Austausch nicht mehr habe.

Philipp Fleischmann: Sprechen wir vielleicht noch über Ihre Rolle an der Schule. Viele Künstler_innen in Wien haben eine Ihrer Schulen besucht. Wenn man sich untereinander austauscht, wird viel über Sie gesprochen. Sie sind sicher als Künstlerin, als Person und als Lehrende äußerst präsent an der Schule gewesen. Nun heißt die Schule seit kurzem nach Ihnen < Schule Friedl Kubelka >. Sie als Person sind jedoch nicht mehr in dem Maße präsent wie früher ...

Friedl vom Gröller: Ich weiß nicht ob‘s ein Fehler war, dass man die Schule so genannt hat. Es war der Wunsch von Anja Manfredi. Als kleines Mädchen hätt‘ ich mir schon gewünscht, dass ich eine Art Institution hätte, einen Ort hätte, und wenn‘s ein Bäckerladen ist... irgendetwas was mir zeigt, wo ich hinzugehen habe, und wo ich hingehöre. Die Schule nach mir zu benennen hat mir nicht so gut gefallen... - ich mit meinen Identitätsproblemen! Aber einen Teil in mir hat‘s auch befriedigt. Es ist ja fast wie ein Grabstein, nur dass es kein Grabstein ist! So, wie wenn sich Leute einen schönen Grabstein entwerfen lassen, noch während sie leben. So fühle ich mich, wenn ich in der Neubaugasse vorbeikomm‘. Das freut mich schon.

Philipp Fleischmann: Was wünschen Sie sich dass an Inhalt, an Programmatik, an Haltung fortbesteht? Sodass sie sagen: „Ja, dieser Grabstein ist repräsentativ für mich.“ ?

Friedl vom Gröller: Die – was man so nennt und was sich schwülstig anhört – „Freiheit der Kunst“. Ich würd‘ mir wünschen: Alles gegen die Anpassung, Alles gegen die Regeln. Diese Haltung sollte aufrecht bleiben, sodass die Leute, die die Schule besuchen, nicht das Gefühl haben, sie müssen sich anpassen. Sie sollen das Gefühl haben, sie können wirklich das machen, was sie wollen. Auch wenn es gerade überhaupt nicht modern ist, wenn es überhaupt nicht gefragt ist, wenn es aus der Zeit zu sein scheint. Das wär mir das Wichtigste. Also, das Unabhängige ... das Unabhängige im Denken!

© 2014
SCHULE FRIEDL KUBELKA
für unabhängigen Film, Wien