Schuljahr 18/19
1. Oktober 2018 bis 31. Mai 2019
Leitung: Philipp Fleischmann
Informationsabende: 24. September 2018, 19 Uhr
Die SCHULE FÜR UNABHÄNGIGEN FILM WIEN wurde 2006 von Friedl Kubelka gegründet und wird 2018/19 von Philipp Fleischmann geleitet. Kernstück des Unterrichts sind 8 praxisorientierte Workshops mit Filmkünstler_innen, die aus ihrer eigenen, jeweils unterschiedlichen Sichtweise heraus unterrichten. Der Lehrgang wird durch eine Vortragsreihe, mehrere Künstler_innenabende sowie durchgehende und individuelle Projektbetreuung und Einführung in Laborarbeit vertieft. Die Vorträge der SCHULE FÜR KÜNSTLERISCHE PHOTOGRAPHIE WIEN, die in denselben Räumlichkeiten stattfinden, können kostenlos besucht werden.
Die Schule basiert auf dem Zitat Dantes „WO DAS KÖNNEN DEM WOLLEN FOLGT“. Ein leidenschaftliches Interesse an einem Thema und dessen Umsetzung auf analogem Filmmaterial soll demnach im Vordergrund stehen. Ziel eines Schuljahres ist es, eigenständige Filmarbeiten zu entwickeln sowie einer eigenen Haltung, Arbeitsweise und Vorstellung von Film näher zu kommen.
Philipp Fleischmann
WORKSHOPS
DEBORAH STRATMAN
MULTI-STABLE CINEMA
A multi-stable image is one where a shift in visual fixation is involved in its perception and resolution. It does not refer to itself, but employs a single gestalt to shift from one reference or resolution to another. They are ambiguous. They resist stable interpretation. They destabilize the position of the observer. They show us what vision is. All of these conditions also happen to be at the heart of an image with radical political meaning. Students will consider what makes us want to turn our cameras on. We’ll learn the basics of 16mm shooting and go out on filming excursions to seek out and/or produce subjects and images which cannot be easily resolved. (In Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum, Workshop in englischer Sprache)
BEN RUSSELL
ATTENTION!
Taking its title from the exclamations of a trained Mynah bird on Aldous Huxley’s ISLAND*, ATTENTION is a 3.5-day-long workshop that seeks to re-orient the audiovisual attentions of its participants towards the generative possibilities of the non-fiction present. Informed by Ben Russell’s own decades-long practice in image and sound collection under the loose frame of “documentary” and “psychedelic ethnography” and inspired by production trips to Vanuatu, the Marquesas Islands, Rapa Nui, and more, this workshop will employ a series of listening, movement, recording, and viewing exercises drawn from sources as diverse as Maryanne Amacher, Maurice Merleau-Ponty, LSD test subjects, Georges Perec, hydrophone coral reef recordings, Jean Rouch’s idea of trance-cinema and more – all in the name of recognizing one’s own intuitive, cognitive and perceptual processes within the construction of the Here and Now.
*"Is that your bird?" Will asked.
She shook her head.
"Mynahs are like the electric light," she said. "They don't belong to anybody."
"Why does he say those things?"
"Because somebody taught him," she answered patiently. What an ass! her tone seemed to imply.
"But why did they teach him those things? Why 'Attention'? Why 'Here and now'?"
"Well ..." She searched for the right words in which to explain the self evident to this strange imbecile. "That's what you always forget, isn't it? I mean, you forget to pay attention to what's happening. And that's the same as not being here and now."
"And the mynahs fly about reminding you— is that it?"
She nodded. That, of course, was it. There was a silence.
JOSEPHINE AHNELTIN BEZIEHUNG ZUR WELT
... steht man beim Filmemachen. Man selbst ist der Teil, durch welchen man sich selbst und die Welt wahrnimmt. Film ist ein Medium, welches es einem ermöglicht Wahrnehmungen, Orte, Personen, Ereignisse in Beziehung zur Welt zu setzen. Sie durch neue Augen zu sehen. Sich selbst zu entdecken. Mir selbst und meiner Beziehungen zur Welt immer wieder aufs neue zu Begegnen ist im Prozess des Filmemachens die größte Herausforderung, Freude und Frustration. Beziehungen und Begegnungen werden bei diesem Workshop im Zentrum stehen.
EVE HELLER
FEELING AND FORM IN 16mm
16mm film offers unique possibilities of artistic discovery and articulation thanks to its wonderfully idiosyncratic material characteristics. Our three-day workshop will investigate and explore a medium that has by no means been exhausted, approaching questions and methods of hand processing, composition, and meter in an endeavour to bring new thoughts and feelings to light.
PHILIPP FLEISCHMANNETWAS TUN, WAS MAN EIGENTLICH NICHT TUN SOLLTE.
Die Errungenschaften des Avantgardefilmes sind nicht denkbar, ohne das ihnen zugrunde liegende Trägermaterial als inhärenten Teil der Kunstform zu betrachten. Die “Operationskette Film” - Filmmaterial, Kamera-Apparat, Entwicklung, Kopierung, Projektion - ist eigentlich so aufgebaut, dass ihr Werken nahtlos funktionieren und unsichtbar bleiben soll. Die Beschäftigung mit Werken der historischen Avantgarde zeigt jedoch, dass es zahlreiche Gründe gibt, diese Operationskette zu unterbrechen. Doch wie verhält sich all dies in der Gegenwart? Was hat sich verändert? In diesem Workshop soll es darum gehen, als unabhängige Filmkünstler_in eine eigene Haltung zur “Operationskette Film” zu entwickeln und diese gegebenenfalls erneut zu brechen oder neu zu definieren.
RENÉ FRÖLKE
WAS IST EINE SZENE? WAS IST IHRE ZEIT?
Ausgehend von zwei entgegengesetzten Richtungen nähern wir uns einem Zustand an.
Eine Videokamera kann sowohl endlos als auch nahtlos Zeit einfangen, fünfzehn Minuten in einer Pizzeria in Connecticut zum Beispiel, zwei Menschen an einem Tisch, Beziehungsprobleme, versuchte Verabredungen am Telefon. Vergehende Zeit ist abgebildet, präsent in ihrer scheinbar authentischen Länge. Versucht man diese oder beliebig andere fünfzehn Minuten auf einer Rolle Film von drei Minuten einzufangen, zerfielen diese fünfzehn Minuten in Fragmente, die Nähte wären sichtbar, die Kontinuität zerstört. Scheinbar entsteht hier etwas gänzlich anderes, doch wird in beiden Versionen etwas spürbar, das hinter jeglicher Szene liegt: tote Zeit. Dieser Workshop ist der Versuch einer Vermittlung zwischen den beiden Medien und die Suche nach einer anderen Zeit, man könnte sie auch die Zwischenzeit nennen.
ROSA BARBA
SETTING A PERFORMATIVE FRAME BETWEEN FACT AND FICTION
In this class I would like to propose a journey from cinema to another kind of film through an objectification of a filmic ontology, into a hyper-space whose nature and limits remain to be defined. How do we create a performative setting where fact and fiction can be intertwined? The class will interrogate the industry of cinema with respect to various forms of staging, such as gesture, genre, information and documents, taking them out of the context in which they are normally seen and reshaping and representing them anew. (Workshop in deutscher und englischer Sprache)
MARK WEBBER
WAYS OF DOING
By looking at certain historical moments, we can begin to consider how filmmakers question the conventions of exhibition, distribution and critical writing. Gregory Markopoulos distanced himself from the New American Cinema and conceived “Temenos”, a unique projection space and archive in the Greek countryside. The London Film-Makers’ Co-operative encompassed a workshop, distribution office, and a screening room where filmmakers challenged modes of projection through expanded cinema and live performance. Drawing on my practice as a curator, researcher and publisher, we will explore such innovations using films, archival materials, and recordings of expanded cinema works. (Workshop in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum in englischer Sprache)
VORTRAGSABENDE
ALEJANDRO BACHMANNEINE ANDERE FILMGESCHICHTE: AVANTGARDEFILM UND DAS DENKEN IN SEQUENZEN
Die Begegnung mit dem Avantgardefilm vor rund 10 Jahren, recht spät also, hat meinen Blick auf das Medium Film — seine Ästhetiken, seine Geschichte — grundlegend verändert. Das bereits Bekannte wurde mit etwas Neuem konfrontiert, zu dem es sich verhalten musste: Man muss sich das als Bild vorstellen, in dem eine bereits vorhandene Landkarte neu aufgestellt wird, um Platz für einen neuen Kontinent zu machen. Tatsächlich aber erweist sich dieses Bild als zu statisch. In Realitas nämlich hat der Avantgardefilm meine Vorstellung von Film in eine permanente Bewegung versetzt, wie keine andere Gattung des Mediums rührt er alles, was man gesehen hat und darüber zu glauben weiß, stets aufs Neue um. Vielleicht hat das damit zu tun, dass es ihm um Essenzen geht, die allen Gattungen des Films eigen ist. Vielleicht aber auch damit, dass er recht spät in mein Bewusstsein von Film trat. In dem Vortag werde ich einige Sequenzen (im Sinne Siegfried Krakauers) vorstellen, die dem gemeinsamen Austausch über die Möglichkeiten des analogen, avantgardistischen Films im Hervorbringen eines anderen Blicks auf Film zugrunde liegen können.
BETTINA BRUNNERI THOUGHT TO BRING THE OCEAN INTO MY KITCHEN. JOYCE WIELAND IN NEW YORK.
Ausgehend von ihrer Faszination für die „tiny little details“ des alltäglichen Lebens entwickelte die Kanadierin Joyce Wieland(1931-1998) eine idiosynkratische Filmsprache, in der Lippen, Katzen und Küchentische ebenso Platz fanden wie die formalen Ansätze einer strukturellen Filmpraxis. Ihr Aufenthalt in New York zwischen 1962 und 1971 machte sie zu einer zentralen Protagonistin der amerikanischen Avantgardefilmszene. Ausschnitte aus Wielands Filmen sowie die Präsentation von Material meiner Recherchen in Archiven in New York und Toronto sollen wenig bekannte Einblicke in die vielschichtige und aktuell höchst relevante Praxis der kanadischen Künstlerin und Filmemacherin vermitteln.
PHILIPP FLEISCHMANNDEN KRITISCHEN PUNKT BERÜHREN - ZUM DENKEN IN FORM DES ABDRUCKS
Dem analogen Film wird im Gegensatz zum digitalen Bewegtbild eine andere Beziehung zum Abgebildeten attestiert. Nicht nur hat der Film eine andere materielle Basis als digitale Aufzeichnungsverfahren (Zelluloid statt Mikrochip), der Aufnahmeprozess selbst basiert auf rein physikalischen und chemischen Gesetzen: Das Auffangen und Einschreiben des von Gegenständen oder Personen reflektierten Lichts auf ein Trägermaterial. So gesehen kann man den analogen Film (und die analoge Photographie) als eine von vielen verschiedenen Abdrucktechniken denken. An diesem Abend werden Beispiele zum Abdruck aus verschiedenen Gattungen vorgestellt und diskutiert - Alltag, Kunstgeschichte, Kunsttheorie - um schlussendlich wieder zum Film und seinen spezifischen Eigenheiten und Möglichkeiten zurückzukehren.
KIM KNOWLESNEW PERSPECTIVES ON MATERIALIST FILM PRACTICE
In this presentation, I will discuss some of my recent theoretical work on photochemical film practice, relating it to historical perspectives on materialist film as a political gesture. Through illustrated examples, the session will consider how contemporary materialist film connects with current theoretical trends in post-humanism, new materialism and object-oriented ontology. It will open up pathways to new creative theoretical understandings of experimental film in the digital era.
MATTHIAS MICHALKAINSTALLATIONEN / PROJEKTIONEN
Seit Jahrzehnten sind filmische Arbeiten fixer Bestandteil der bildenden Kunst. Doch obwohl Screenings und Filminstallationen in Galerien und Museen mittlerweile selbstverständlich sind, bleiben die Determinanten ihrer Präsentation und Wahrnehmung fragwürdig. Wo und wie wird heute filmisches Material gezeigt und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Rezeption der jeweiligen Werke? Eine Diskussion exemplarischer Präsentationsformen von Film im Kunstkontext.
KÜNSTLER_INNEN PRÄSENTIEREN IHRE ARBEITEN
HANNES BÖCKARCHÄOLOGIE, ARCHITEKTUR, KUNSTGESCHICHTE, PHOTOGRAPHIE, FILM
Diese lose Begriffssammlung beschreibt die Interessensgebiete von Hannes Böck, der sich mit seinen formal strengen, am strukturellen Film orientierten Arbeiten auf 16mm mit Fragen zur Konstruktion von Geschichte und nationalen Identitäten beschäftigt und dabei auch die mediale Beschaffenheit seiner Werkzeuge Photographie und Film untersucht.
TACITA DEAN
FILM
“I found in 16mm film a medium with which I was immediately comfortable and I have grown with it. Film is time made manifest: time as physical length - 24 frames per second, 40 frames in a 16mm foot. It is still images beguiled into movement by movement and it's eternally magic. The time of my films is the time of film itself. Implicit in this is what film continues to hold over the digital, and which digital needs to find for itself or be lost in an eternity of options, and that is decision. Every element in the making of a film is decisive.” Tacita Dean
JOHANNES GIERLINGER
VOYAGE TO VOYEURS ODER DIE BLICKE SICH EIGEN MACHEN
Der Versuch, das Zufällige, das Flanieren und der Zweifel an der Darstellbarkeit des Gesehenen sind elementare Fragen und Erfahrungen in meiner filmischen Herangehensweise. Eine collagenartige filmische Praxis, in der Bild, Ton, Text und Kommentar in Bezug zu einander gesetzt werden. Gedankenströme, die im ständigen Fluss bleiben. Eine Prozessualität des Denkens. Eine Praxis als Reflexion über Gedächtnis, Erinnerung, Geschichte und der Frage nach möglichen zukünftigen Bildern. Erfahrbar gemacht durch die essayistische Versuchsanordnung des Suchens.
„Ohne sachbezogene Argumentation und ohne folgerichtige Handlung wird dieser Versuch zu einem Abenteuer des Geistes in der Welt der Sinne, die für Zuschauer über Auge und Ohr zugänglich wird.“ (Möbius 1991: 10)
FRIEDL VOM GRÖLLER
Ein Abend zum künstlerischen Arbeiten in Film und Photographie.
PETER TSCHERKASSKY
STRICTLY HANDMADE
Seit mittlerweile über 20 Jahren gestalte ich sämtliche meiner Filme in der Dunkelkammer. Statt mit einer Kamera zu filmen, wird Found Footage direkt auf Rohfilm gelegt und in der Folge händisch, Kader um Kader, mit Hilfe unterschiedlicher Lichtquellen wie Taschenlampen und Laserpointer umbelichtet. Natürlich schreibt sich dieser extrem handwerkliche Produktionsprozess in die Bilder selbst ein. Das heißt: Man sieht den Filmen an, dass sie manuell hergestellt wurden. Dies ist meine persönliche Reaktion auf das schrittweise Verschwinden der klassischen Kinematografie, auf den drohenden Verlust des Filmstreifens, auf dessen Verdrängung durch das digital generierte Laufbild. In der Lecture möchte ich meinen Arbeitsprozess näher darstellen.
ZEITEINTEILUNG
- Workshops: Do 19–21 Uhr, Fr, Sa, So jeweils sechs Stunden
- Vortragsabende: 19-21 Uhr
- Ateliertag: Dienstag von 10 - 17 Uhr, Nutzung der Dunkelkammer nach Vereinbarung
- Jeden Dienstag: Zyklisches Programm „Was ist Film“ im Österreichischen Filmmuseum
- Einzelgespräche: nach Vereinbarung
- Projektbetreuung Unabhängiger Film: nach Vereinbarung