Schuljahr 16/17
3. Oktober 2016 - 31. Mai 2017
Leitung: Philipp Fleischmann
Informationsabende: 21. Juni 2016 und 26. September 2016, jeweils 19Uhr
Die SCHULE FÜR UNABHÄNGIGEN FILM WIEN wurde 2006 von Friedl Kubelka gegründet und wird 2016/17 von Philipp Fleischmann geleitet. Kernstück des Unterrichts sind 8 praxisorientierte Workshops mit Filmkünstler_innen, die aus ihrer eigenen, jeweils unterschiedlichen Sichtweise heraus unterrichten. Der Lehrgang wird durch theoretische Vortragsabende, Künstler_innenabende, eine Exkursionsreihe, Einführung in Laborarbeit sowie durchgehende und individuelle Projektbetreuung vertieft. Die Vorträge der SCHULE FÜR KÜNSTLERISCHE PHOTOGRAPHIE WIEN, die in denselben Räumlichkeiten stattfinden, können kostenlos besucht werden.
Die Schule basiert auf dem Zitat Dantes „WO DAS KÖNNEN DEM WOLLEN FOLGT“. Ein leidenschaftliches Interesse an einem Thema und dessen Umsetzung auf analogem Filmmaterial soll demnach im Vordergrund stehen. Ziel eines Schuljahres ist es, eigenständige Filmarbeiten zu entwickeln sowie einer eigenen Haltung, Arbeitsweise und Vorstellung von Film näher zu kommen.
Philipp Fleischmann
WORKSHOPS
ELFI MIKESCH
EIN GESICHT - EIN ORT - 1 + 1 = 3, 13. - 16. Oktober 2016
Die Großaufnahme im Kino behandelt das Gesicht vornehmlich wie eine Landschaft; sie lässt sich als schwarzes Loch und weiße Wand, als Bildschirm und Kamera definieren. Aber auch schon die anderen Künste, wie Architektur, Malerei und sogar der Roman werden von Großaufnahmen belebt, die alle möglichen Korrelationen erfinden. Ist deine Mutter eine Landschaft oder ein Gesicht? Ein Gesicht oder eine Fabrik? (Godard) Es gibt kein Gesicht, das nicht eine unbekannte, unerforschte Landschaft umschließt, es gibt keine Landschaft, die nicht mit einem geliebten oder erträumten Gesicht bevölkert wird, die kein künftiges oder vergangenes Gesicht darbietet. (Guattari / Deleuze) In dem Workshop werden wir unser Gegenüber erforschen, einer Geschichte auf die Spur kommen, die sich durch Bilder, Klang und Sprache dokumentarisch oder fiktional mitteilen wird. Bilder, für die wir uns entscheiden, sind immer Fragmente, die, als Fotografie oder Film zusammengesetzt, etwas einmaliges bewirken können, nämlich 1 + 1 = 3.
ANTOINETTE ZWIRCHMAYR
VOR DEM VERSCHWINDEN, 24. - 27. November 2016
Ich filme, um zu erkennen, wer ich bin. Die Kamera funktioniert dabei wie ein Teleskop in mein Inneres. Sie hilft mir, das Unsichtbare und Unangenehme sichtbar zu machen. Das Verlangen, mich lebendig zu fühlen, Spuren zu hinterlassen und nicht in Vergessenheit zu geraten, treibt mich an. Oder ist es schlicht und einfach der Wunsch nach Unsterblichkeit? – „Ach! Wenn ich mich für unsterblich hielte! Was wäre dann? Die Welt wäre mein. Das habe ich gedacht. Aber vor langer Zeit.“ (Zitat: Simone de Beauvoir) In dem Workshop wird es darum gehen, ein erweitertes Selbstportrait in einer verschlüsselten Form zu erschaffen - ein filmisches Testament!
NICKY HAMLYNA THOUSAND FRAMES, 1. - 4. Dezember 2016
In this workshop you will make a short film in 16mm or Super 8, in colour but with the possible option of making something in black and white negative. The work will be edited 'in-camera' which means that the film you shoot will be the final version. To this end, we will be looking at ways of creating more or less complex structures by assembling shots in order, shooting single frames, rewinding and re-exposing the film and combinations of these. The open brief for the project is to make a film in a single location, including the possibility of shooting from a single position. This may also include the idea of making a work that is 'site specific' i.e. filmed and projected in the same location.
FRIEDL VOM GRÖLLER
DER PHÖNIX (THUNDERBIRD) VERBRENNT UND ERSTEHT AUS SEINER ASCHE AUF, Januar 2017
Unabhängiger Film wird manchmal mit Avantgarde-Film gleichgesetzt. Die Avantgarde stürmt nach vorne; bricht mit den Konventionen. Um den Konventionen unseres Zeit-Geistes zu entkommen, werden wir Filme von AvantgardistInnen der Filmgeschichte konsumieren.
PHILIPP FLEISCHMANNRÄUMLICHES FILMERLEBEN, 16. - 19. Februar 2017
Öfter als im Kino trifft man heutzutage auf analogen Film im Ausstellungsraum der Bildenden Kunst. Das Filmbetrachten ist dadurch in die Narration eines Ausstellungsbesuches mit eingebunden. Die räumliche und zeitliche Anordnung der filmischen Apparatur wird folgend ein entscheidender Aspekt der künstlerischen Arbeit. Wie schafft man es, auf vorhandene Räume zu reagieren? Wie kann man eine räumliche, skulpturale Betrachtungssituation denken und dennoch dem Lichtmedium Film angemessene Rezeptionsbedingungen schaffen? Ausgehend von der jeweils eigenen künstlerischen Arbeit sollen kurze Filmloops gedreht und räumliche, installative Präsentationsformen erprobt werden.
BRUCE LA BRUCE
POST-PUNK, POST-PORN, POST-HUMAN, März 2017
As an artist, photographer and filmmaker I investigate a number of genres, including pornography, horror, and agit-prop. I will be showing several of my films that explore the queer body in relation to issues of gender identity, class and race. My film work has spanned the transition from punk to post-punk, from queer to post-queer, from analog to digital. This workshop will explore how filmmakers can navigate these paradigm shifts – politically, aesthetically, and philosophically.
RUTH ANDERWALD / LEONHARD GROND
“WAS MAN LERNEN MUSS, UM ES ZU TUN, DAS LERNT MAN, INDEM MAN ES TUT.", 20. - 23. April 2017
Wie lernen wir, was wir lernen möchten? Woher wissen wir, was wir lernen möchten? Welche Routinen und Arbeitsprozesse sind dafür sinnvoll? In unserer Einführung werden wir über Fragen der Mimesis und des vielschichtigen Lernens als KünstlerIn und als Duo sprechen. Zu Beginn 2016 haben wir mit Kreativitätsforschern der Universität Graz FilmemacherInnen und KünstlerInnen 14 Tage lang bei ihrem Arbeitsprozess über die Schulter geschaut. Was können wir dabei von einander lernen? Was ist der künstlerischen Arbeit tatsächlich zuträglich, was ist überhaupt vergleichbar bei der Heterogenität der KünstlerInnenbegriffs? Und was hat der Film damit zu tun? Als Einstieg zeigen wir unseren Film Paris Tapes (2012).
JESSICA HAUSNER
„DÉCOUPAGE", 4. - 7. Mai 2017
Die Idee zu diesem Workshop besteht darin, dass wir eine ganz kurze Film-Szene (die ich vorschlagen werde) zunächst analysieren und danach neu verfilmen. D.h. wir analysieren die Auflösung (Découpage) der Szene, dann überlegt sich jeder Student seine eigene Auflösung der selben Szene, realisiert diese, schneidet den Film, und schließlich analysieren wir die Ergebnisse und sprechen darüber, was welche Auflösung - im Unterschied zueinander und zur Originalszene - bewirkt und ausdrückt. Ich werde darauf achten, dass die ausgewählte Szene weder schauspielerisch noch von der Handlung her zu aufwändig ist. Es geht hier eher um die Grammatik einer Szene, die schließlich zu dieser oder jener Aussage führt.
THEORETISCHE VORTRAGSABENDE
ROSA JOHNDIE BOLEX-KAMERA ALS MITTEL UND MUSE
„Remember if you can, the special excitement you felt when you were buying your movie camera,“ fordert uns Maya Deren auf. In diesem Sinne möchte ich den Sehnsüchten nachspüren, die der Kamera als Objekt innewohnen, sowie einige Praktiken und damit verbundene Ästhetiken vorstellen, die speziell vom Gebrauch der Bolex-16mm-Kamera informiert sind. Der Vortrag integriert Filmbeispiele mit Schwerpunkt New American Cinema, Schriften von KünstlerInnen und Fundstücke rund um die Bolex-Kamera aus meiner Recherche in Schweizer Archiven.
BARBARA PICHLER
FOUND FOOTAGE FILM - ERINNERUNGEN FÜR DIE ZUKUNFT
Der Found Footage Film ist eine Untersuchung des Kinos an sich, ein Spiel mit den Möglichkeiten, vielleicht auch mit den Grenzen des Filmischen. Am Anfang steht wohl immer die Faszination des filmischen Materials in seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Doch darüber hinaus entwickelt der Found Footage Film seine Attraktion auch aus der Konfrontation von Kontexten, die zumindest nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben. Gerade dort, wo das Private und das Öffentliche, das Private und das Politische aufeinandertreffen und sich spiegeln, wird in den Bildern ein besonderes Spannungsverhältnis sichtbar – die Reflexion der Gesellschaft durch die Reflexion des Mediums.
GEORGIA HOLZ
DER EMANZIPIERTE BLICK - VIDEO ALS FEMINISTISCHES MEDIUM IN DEN 1970ER JAHREN
„Es ging zum einen um die strategische Besetzung eines noch neuen Feldes in der Kunstgeschichte und zum anderen um eine kritische Reflexion der medialen Verfasstheit von Selbst- und Körperbild.“ Sigrid Adorf, Operation Video
Der Vortrag folgt der Beobachtung, dass das „neue Medium“ Video während seiner Anfänge in den 1970er-Jahren vermehrt von Künstlerinnen aufgegriffen wurde, um feministische Kernthemen wie Körper- und Subjektdiskurse oder repräsentationspolitische Fragestellungen zu adressieren. Durch ihre einfache und flexible Handhabung ermöglichte diese neue Apparatur eine stärkere Nahsicht auf den Körper oder Alltag der Frau. Die ästhetischen, strukturellen und phänomenologischen Eigenschaften von Video kamen einer Kritik an traditionellen Blickregimen und Repräsentationspolitiken, wie sie auch von der feministischen Filmtheorie formuliert wurden, entgegen. Mit Videobeispielen von Lily Dujourie, Joan Jonas, Theresa Hak Kyung Cha, Martha Rosler, u.a.
RIKE FRANK
„...the good news is – and that’s why I mentioned quantum historiographies – things never run smoothly, there is always some idiosyncrasy that will disturb the ideological continuum.” (Jan Peter Hammer)
Die Narrative, auf denen seine filmischen Arbeiten basieren, entnimmt Jan Peter Hammer oftmals historischen Bild- und Textquellen; extrahiert, neu gescriptet und in den Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen gestellt übernehmen sie jenseits ihres inhaltlichen Gehalts, einer Tradition der (medien-)kritischen Filmpraxis folgend, die Funktion der reflexiven Störung bestehender ideologischer Kontinuitäten. Dieser Ansatz findet methodisch eine Verstärkung in kontrovers aufeinandertreffenden Positionen – von Schauspielern inszeniert oder dem Fundus der massenmedialen Berichterstattung entnommen –, die Effekte wie jene eines Finanz- wie auch Wissenschaftskapitalismus adressieren und insofern auch über Opazität und Transparenz mit den Mitteln des Films reflektieren.
STEFAN GRISSEMANN
Der Amateurfilm feiert die Banalität und den Zufallsfund, den Rückzug ins Persönliche, ins Individuelle und scheinbar Unbedeutende – und findet ebendort die Essenz des lyrischen Kinos.
Ein Abend mit anonymen Home-Movies, mit Punk-, Urlaubs- und Alltagsfilmen – u.a. von Joseph Cornell, Derek Jarman, Peter Tscherkassky, Kurt Kren, Jonas Mekas und Gustav Deutsch.
KÜNSTLER_INNEN PRÄSENTIEREN IHRE ARBEITEN
JOSEF DABERNIG
DREI FILME
Ein ehemaliges Erholungsheim für Sowjet-Filmleute im Südkaukasus, Autobahnbrücken in der entropischen Landschaft eines Bergtales und ein abgewohntes Campinghotel sind Schauplätze meiner letzten filmischen Arbeiten Hypercrisis, River Plate und Zlaté Piesky Rocket Launch. Sind die spezifischen Orte mitunter Ausgangspunkte filmischer Ideen, in weiterer Folge Habitate des aus Freunden und Verwandten bestehenden Personals, kann man sie auch als Raummodelle im Dienst einer strukturellen Annäherung verstehen. Der gemeinsame Abend soll Fragen nach dem Verhältnis von Figur und Raum vor dem Hintergrund von Methode und Lust an Narrationsverschiebung gerecht werden.
SUSANNE MIGGITSCH
MANIFESTATION DES BEWEGTEN
Der Fokus des Vortrags richtet sich auf Fotografie und Film, auf das Durchdringen und Beeinflussen der beiden Medien, welche als „produktive“ Parameter untersucht werden, als Denkmetaphern fungieren und in die Narration mit einbezogen werden. Die Zeit selbst wird zum Medium, ist die Instanz der eigenen Erfahrung.
KERSTIN SCHROEDINGER
BEWEGTE BILDER - BEWEGENDE KÖRPER
Ausgehend von dem Experimentalfilm Fugue (2015) behandelt der Vortrag die Materialeigenschaften wie auch die Produktionsbedingungen von analogem Film.
Im Film ist Zeitbasiertheit das Scharnier, an dem wir historische, vergangene Zeit und fortlaufende, vergehende Zeit als Gegenbewegungen benutzen können. Der filmische Herstellungsprozess unterliegt dem Rhythmus des Aufnahme- oder Abspielgerätes – Kamera oder Projektor – und dieser Rhythmus wird eben sichtbar (und hörbar) durch das Vibrieren der Projektion. Während das rhythmisierte Hervorbringen von Bildern in jeglicher Projektion von Film geschieht, ändert sich die Situation, wenn sich ein Körper vor der Kamera bewegt. Es kommt zur Bewegung des Filmstreifens in der Kamera eine weitere hinzu. Der Körper ist getragen von der Bewegung des Films und dient aber auch als Träger ihrer Darstellbarkeit. In der Projektion wird er re-animiert. Diese Lebendigkeit ist allerdings eine fragile Angelegenheit, der bewegte Körper bewegt sich selbst immer an den Rändern der Sichtbarkeit. Wenn er sich etwa zu schnell bewegt, dann verschwindet er, da die fotochemische Emulsion zu langsam reagiert. Fugue verarbeitet solche Überlegungen in einer experimentellen Komposition, mit Referenz auf Bewegungsstudien und Aufnahmeverfahren aus der Zeit des frühen Kinos.
SABINE MARTE
… INTO THE SCREEN THROUGH THE PROJECTION OUT ON THE STREET ...
Sabine Marte ist Videokünstlerin, Performerin und Musikerin. In ihren Videoarbeiten, in denen sie oft selbst als Akteurin auftritt, spielen Selbst- und Fremdwahrnehmung eine wichtige Rolle. In ihren existenziellen Auseinandersetzungen setzt sie durch die Integration von realem und filmischem Raum das sich selbst beobachtende Subjekt in ein Verhältnis zum medialen Raum und zur unmittelbaren Umgebung. Sprache - oft kommentiert die Stimme aus dem Off - und Musik stehen dabei im Zentrum ihrer Arbeiten.
Anhand eigener Videobeispiele wie
HELGA REIDEMEISTER
DENKBILDER IM DOKUMENTARISCHEN
„Niemand ist sicher vor einem Gedanken, der ihn durchzuckt. Niemand kann sagen, das werde ich nie tun." (Marguerite Duras) Das Österreichische Filmmuseum widmet der deutschen Dokumentarfilmemacherin Helga Reidemeister im Herbst 2016 eine Hommage in Wien. Im Rahmen des Programms „In person“ im Filmmuseum wird Helga Reidemeister auch die Filmschule besuchen.
EXKURSIONSREIHEORTE DES FILMS IN WIEN
Welche Orte in Wien haben wie mit Film zu tun?
Es werden Institutionen und Einrichtungen besucht, die aus unterschiedlichen Perspektiven mit Film arbeiten. - das Ausstellen von Film, das Bewahren und Archivieren, technische Labor- und Entwicklungsmöglichkeiten, unabhängige Kinoeinrichtungen, Vertrieb und Vermittlung, Produktionsstätten werden vorgestellt.
ZEITEINTEILUNG
- Workshops: Do 19–21 Uhr, Fr, Sa, So jeweils sechs Stunden
- Vortragsabende: 19-21 Uhr
- Ateliertag: Dienstag von 10 - 17 Uhr, Nutzung der Dunkelkammer
- Jeden Dienstag: Zyklisches Programm „Was ist Film“ im Österreichischen Filmmuseum
- Exkursionstermine 1x monatlich
- Einzelgespräche: nach Vereinbarung
- Projektbetreuung Unabhängiger Film: nach Vereinbarung